Viele Fotografen möchten ihre Fotos nicht bearbeiten. Sie sind stolz darauf, dass die Bilder die Wirklichkeit zeigen und nicht manipuliert sind. Allerdings übersehen sie dabei, dass die Kamera die Wirklichkeit anders wahrnimmt als unser Auge und unser Gehirn. Insbesondere bei der Wahrnehmung von Helligkeitskontrasten werden die Unterschiede deutlich.

Lineare vs. logarithmische Helligkeitswahrnehmung

Ohne auf technische Details einzugehen, wollen wir einfach sagen, dass eine Kamera Luminanzwerte (fast) linear kodiert, während unsere Augen/Gehirn die Helligkeit mehr oder weniger logarithmisch wahrnehmen. Wenn das für euch Kauderwelsch ist, macht euch keine Sorgen. Wichtig ist die Tatsache, dass Menschen kontrastreiche Szenen viel besser wahrnehmen können als die Kamera. Wir können Details in den Lichtern und Schatten sehen, die die Kamera nicht wahrnehmen kann. Das ist der Grund, warum unsere Fotos oft ausgefressene Lichter und Schattenbereiche ohne Details zeigen. Aber selbst wenn ein Bild sowohl in den Lichtern als auch in den Schatten Details zeigt, sehen sie oft nicht so aus, wie wir die Realität wahrnehmen. Hier ist ein Beispiel:

Fachwerkhäuser

Dieses Foto wurde offensichtlich an einem sonnigen Tag aufgenommen. Es ist die unbearbeitete Version. Während die Lichter gut aussehen, sind die Schatten viel dunkler, als wir sie wahrnehmen. Meiner bescheidenen Meinung nach muss dieses Bild dringend bearbeitet werden, um die Szene realistisch darzustellen. Deshalb hier, ohne viel Aufhebens, die bearbeitete Fassung:

Fachwerkhäuser, bearbeitetes Foto

In meinen Augen sieht dieses Bild viel realistischer und natürlicher aus als die unbearbeitete Version.

Übrigens gibt es in der unbearbeiteten Version leicht stürzende Linien, da die Kamera ein wenig nach oben geneigt wurde. Stürzende Linien sind ein Phänomen, das wir kaum wahrnehmen, weil unser Gehirn sie korrigiert. Wir wissen einfach, dass vertikale Linien vertikal sind und dass sie nicht konvergieren. Daher nehmen wir stürzende Linien einfach nicht wahr (es gibt Ausnahmen, aber in den meisten Fällen stimmt es). Die Kamera hingegen zeichnet stürzende Linien getreulich auf. Besonders in der Architekturfotografie sind sie ziemlich störend und sollten wie in der bearbeiteten Version des obigen Bildes korrigiert werden.

Fazit

Es gibt Fälle, in denen ein unbearbeitetes Foto gerade eben nicht die Realität zeigt, wie es manche Fotografen glauben (dass ein Foto eigentlich nie die Realität zeigt ist noch eine andere Frage). Manchmal muss ein Foto geradezu bearbeitet werden, damit es die Realität wenigstens halbwegs so widergibt, wie wir sie wahrgenommen haben.